26. August 2014
Wie konnten mehrere Jahrzehnte vergehen, ohne dass ich jemals einen Fuss in den Kanton Neuenburg setzte?
Wie konnte sich in meiner Allgemeinbildung ein derartiges Manko über diese Region der Schweiz über Jahre festsetzen?
Warum spielt keines der Stücke von Friedrich Dürrenmatt in Neuchâtel, obwohl er 40 Jahre hier gelebt hat?
Und wie kommt es, dass Bundesrat Didier Burkhalter nicht mehr Promotion für seinen Heimat-Kanton macht?
Vielleicht, weil der Kanton Neuchâtel so herrlich unprätentiös ist. Zumindest habe ich die Region so erlebt.
Unglaublich abwechslungsreich und gleichzeitig ausgesprochen gemütlich – eine sehr aussergewöhnliche Kombination! Der gemächliche, melodiöse Dialekt ist Balsam für alle, welche wie ich an einem frankophonen Trauma leiden.
Hier habe ich gelernt, dass man ein Käse-Fondue längst nicht nur im Winter essen kann, und dass es eigentlich immer eine Gelegenheit gibt, mit Freunden ein Glas Weisswein zu trinken. Wein aus der Region natürlich!
Meine 4 Tipps für die Region Neuchâtel:
Die Stadt Neuchâtel ist – neben den mondänen internationalen Orten am Genfersee – die zurückhaltende Perle der Romandie mit einer grossen Portion südlichem Flair!
Die Altstadt ist ausgesprochen pittoresk: viele Bauten aus Sandstein in diesem warmen Gelbton (Neo-Klassizismus, sagt der Reiseführer) mit vielen pastellfarbenen Details versehen. Sie ist nicht gross, aber ideal für einen Bummel.
Das Zentrum des historischen Stadtteils ist die Place des Halles mit zahlreichen Strassencafés und Strassenkünstlern im Sommer.
Von April bis Oktober stellen die Bauern aus der Region jeweils dienstags, donnerstags und samstags hier ihre Stände auf – eine herrliche Auswahl an Früchten, Gemüse, Käse, manchmal auch Kunsthandwerk.
Rund um die Place des Halles gibt es an marktfreien Tagen zahlreiche Geschäfte mit Produkten aus der Region.
Der Neuenburgersee ist suberb! Ein Uferweg führt von Neuchâtel am westlichen Ufer entlang in Richung Süden.
Bereits nach rund 10 Minuten bietet sich eine herrliche Möglichkeit hängen zu bleiben: Les Bains de Dames, welches heute nicht mehr als Badi für die Damen, sondern als Restaurant am und auf dem Wasser geführt wird. Hier kann m an stundenlang sitzen und den Neuenburgersee anhimmeln.
Rund 1 Stunde ist man auf dem Pfad entlang des Sees unterwegs mit zahlreichen Möglichkeiten für einen Sprung in die Wellen (was die Einheimischen gern tun).
Auvernier ist das Ziel, eines der schönsten Weindörfer am Neuenburgersee. Ein wahrhaftiges Bilderbuchdorf mit einem imposanten Schloss (ein Weingut) und einem bunten, historischen Dorfkern. Rings um das Dorf führen sogenannte Ruelles durch die Weinberge. Am späten Nachmittag trifft man sich auf dem Dorfplatz für ein Glas Weisswein, etwas später zum Fondue (beispielsweise hier: Pinte La Golée). Diese Nonchalance wirkt sehr authentisch.
Mit vollem Käsemagen oder nach ein paar Gläsern des hiesigen Weins …. nimmt man idealerweise das Tram zurück in die Kantonshauptstadt.
Das Val de Travers ist eine absolute Wundertüte: Ein Skigebiet, das älteste Naturschutzgebiet der Schweiz mit Luchsen und Steinböcken, abenteuerliche Schluchten und Wasserfälle, Creux de Van (das natürliche Amphitheater aus Kalkstein mit rund 1 Kilometer Durchmesser), romantische Dörfer, abgelegene Bauernhöfe und Farbriken von Luxus-Uhrmarken.
Ebenso originell ist die Reihe der Museen: Museum der Asphaltminen (eher eine unterirdische Trekkingtour), ein Museum über den berühmten Pädagogen Jean Jacques Rousseau, ein Oldimer-Museum, ein Museum über Aborigines (kein Tippfehler – tatsächlich über die Ureinwohner Australiens), eines mit rund 150 VW-Automobilen von 1950 bis 1980 …. und natürlich: ein Museum über den Absinth.
Diese Vielfalt erstaunt umso mehr, wenn man weiss, dass dieses Hochtal über Jahrhunderte ein Niemandsland war. Zu abgelegen war es, zu hart waren die Winter. Einzig ein paar Mönche und Lebenskünstler haben sich hier mit der Zeit eine Existenz erschaffen. Erstere sind irgendwann verschwunden, die Lebenskünstler sind bis heute geblieben.
Und spätestens jetzt merke ich, dass meine Idee mit den 4 Vorschlägen für die gesamte Region Neuchâtel keine gute war – ich bringe meine vielen Inputs aus dem Val de Travers nicht unter.
Deshalb stellvertretend zwei Tipps für die Vielfältigkeit des Hochtals:
La Maison de l’Absinthe in Môtiers.
Das Dorf Môtiers ist eines der schönsten in der Schweiz – und seit ein paar Wochen hat hier auch eines der schönsten Museen unseres Landes geöffnet! Das Thema rund um den Absinth ist mit so viel Erlebbarem und Spannendem aufbereitet worden – und der superlative Abschluss bildet eine Mini-Degustation im Erdgeschoss des wunderschön gestalteten Hauses.
Wahrscheinlich darf man keinen Beitrag über die Region Neuchâtel schreiben, ohne den Creux de Vans mit ein paar Worten und einem Bild zu erwähnen (Bild links). Ja, das natürliche Monument ist nicht nur auf professionell gemachten Fotos so eindrücklich, sondern auch in Natura. Ich habe mir allerdings sagen lassen, dass der Wow-Faktor bei schlechtem Wetter sehr reduziert ist. Ja, es hat – bei gutem Wetter – sehr viele Gleichgesinnte, und nein: für Menschen mit Höhenangst ist das nichts.
Mein Tipp Nummer 4 ist allerdings die Wanderung entlang der Areuse. Idealerweise fährt man mit dem Zug bis nach Noiraigue (anstelle mit dem Auto hochzufahren). Im Bahnhofsgebäude ist ein herziges kleines Touristenbüro untergebracht mit guter Beratung, lokalen Spezialitäten und Broschüren. Das beflissende Personal unterlässt es nicht, vor der Wanderung einen Absinth zu empfehlen: „… ça vous donne de l’energie!“. Die Wanderung dauert knapp 3 Stunden und führt entlang des Flusses bis nach Boudry, von gemächlich bis abenteuerlich ist alles dabei. Unterwegs gibt es köstliche Forellen im Restaurant La Truite in Champs-du-Moulin.
Vom 12. bis 14. September 20014 feiert der Kanton Neuchâtel übrigens ausgiebig und vielseitig seine 200jährige Mitgliedschaft in der Eidgenossenschaft ….
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